Lesetipp: Jessica Knoll,„Bright Young Women“

Jessica Knoll hat mit „Bright Young Women“ ihren dritten Roman veröffentlicht. Sie zeichnet die wahre Geschichte des Serienmörders Ted Bundy nach, allerdings aus der Perspektive der Opfer, was diese in den Mittelpunkt rückt und der Täterfetischisierung entgegenwirkt.

Florida, 1978. Ein Mann bricht in das Haus einer Studentinnenverbindung ein, tötet zwei junge Frauen und verletzt weitere. Bei der Flucht wird er von der Vorsitzenden der Verbindung, Pamela, gesehen. Als einzige Zeugin spielt sie in den Vermittlungen eine besondere Rolle, gleichzeitig wird ihrer Aussage nicht geglaubt.

Von der Universitätsleitung gibt es keine Unterstützung oder Fürsorge nach dem Überfall und auch die Medien interessieren sich sensationsgeil nur für die grausamen Details. Pamela in ihrem Verantwortungsgefühl und ihrem Bedürfnis, sich um die Mädchen zu kümmern, lässt die Tat jedoch nicht los. Sie trifft Tina, die seit Jahren versucht, den Mörder ihrer Freundin zu finden. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche, um Hinweise auf die Identität des Mörders und der Verbindung zu finden.

Bald stellt sich heraus: Es handelt sich bei dem Täter um einen brutalen Serienmörder. Im weiteren Verlauf der Erzählung werden jedoch nicht seine Verfolgungsjagd thematisiert oder eine Erkundung seiner Psyche oder wie die Frauen ihn letztlich überführt haben. Es geht vielmehr um seine Opfer und die Hinterbliebenen. In der Geschichte geht es – ganz offensichtlich – auch um Gewalt, aber nicht glorifizierend oder stark reproduzierend. Gewalttaten sind im Buch zum großen Teil nur angedeutet. Was vielmehr deutlich wird, ist das Versagen eines Systems, in dem Sexismus und Gewalt an Frauen leider bis heute Alltag sind. Und bei mir als Leser*in kommt diese Wut über das System auch hoch: Wut über Prozessverfahren, in denen Frauen Demütigung über sich ergehen lassen müssen und auch Gefahren ausgesetzt werden – so muss Pamela dem Angeklagten zum Beispiel ihre Adresse nennen, da er sich selbst vertritt (S. 365).

Die wesentliche Stärke der Geschichte ist, dass sie aus Perspektive von Frauen erzählt wird, ohne den Täter zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken. Die beste Freundin, die im Nachgang der Tat ihre eigene Stärke neu entdeckt und kompromissloser wird, vor allem in Bezug auf den ihr ständig entgegenkommenden Sexismus. Die Lebensgefährtin, die von der Gesellschaft nicht als solche anerkannt wird, und deshalb nicht für Gerechtigkeit kämpfen kann, es aber dennoch tut. Hier schafft es Knoll einfühlsam und präzise zu erzählen. Eine fesselnde Lektüre, ohne ins Reißerische Erzählen abzudriften mit einem sehr bewegenden Ende.

Jessica Knoll: Bright Young Women, Eichborn 2024, 464 Seiten, 18,00 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: R Kno 2/1

Inga Müller

Das Buch wurde uns vom Verlag als Spende für unseren Bestand zur Verfügung gestellt.

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