Rosa Luxemburg zum Gedenken

Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst.

Foto: Wikipedia (gemeinfrei)

Am 5. März ist der 150ste Geburtstag von Rosa Luxemburg, die 1919 im Alter von 47 Jahren ermordet wurde. Ihr tragischer Tod in engem Zusammenhang mit dem von Karl Liebknecht und die nach ihr benannte politische Stiftung der Linken sind naheliegende Assoziationen zu ihrer Person. Erst ein 2020 erschienener Comic zu ihrer Lebensgeschichte stellte die Person Rosa Luxemburg in einen modernen feministischen Zusammenhang mit allen ihren Facetten. Die Frage bleibt, was Rosa Luxemburg oder auch andere historische Frauengestalten zu Feministinnen oder feministischen Identifikationsobjekten macht, ihr theoretischer Beitrag, ihr Selbstverständnis oder ihre Biographie? Wird Rosa Luxemburg zu polarisiert wahrgenommen als die marxistische Theoretikerin und Praktikerin, die die Frauenfrage allenfalls am Rande beschäftigte? Ist sie die tragische Figur in den Nachkriegswirren, gar eine Märtyrerin? Oder bietet sie mit ihrem Leben, stets politisch, immer autonom und trotzdem eng verbunden mit ihren Freund*innen und mit ihrer über alles geliebten Katze Mimi eine feministische Orientierung.

Ihre theoretischen Ansätze und ihre Zeit:

Rosa Luxemburg war eine intellektuelle wie engagierte Theoretikerin, sehr gut ausgebildet mit einem breit gefächerten Studium in Zürich, das sie 1898 mit einer Promotion über die industrielle Entwicklung Polens abschloss, und die (wie Hannah Arendt) sechs Sprachen sprach. Ihr politischer Ansatz und Einsatz galt der proletarischen Revolution, der Information und der Agitation der Massen, zu denen gleichberechtigt bzw. gleich unterdrückt die Arbeiterinnen gehörten. Sie schrieb viele Zeitungsartikel und war eine unermüdliche, wie mitreißende Rednerin, das machte sie zu einer Gefahr für die Herrschenden in den Zeiten des 1. Weltkrieges und der politischen Umbrüche. Mit dem Ersten Weltkrieg spitzte sich die allgemeine politische wie die persönliche Lage von Luxemburg zu, die von 1915 bis Ende 1918 im Gefängnis saß, ohne sich das Schreiben und Veröffentlichen verbieten zu lassen. Neben der Kritik an dem späteren Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) wegen seiner revisionistischen wie angepassten Haltung, benannte sie klar Fehler ihrer politischen Mitstreiter Hugo Haase (USPD) und Karl Liebknecht (KPD) bei der Planung einer Besetzungsaktion im Januar 1919. Darüber hinaus gibt es von ihr eine kluge wie distanzierte Analyse des bolschewistischen Ansatz Lenins.

Ihr Handeln und ihr Selbstverständnis:

Das Selbstverständnis Rosa Luxemburgs ist Zeit ihres Lebens das einer politisch denkenden und handelnden Frau. Ihre Professoren bescheinigten, dass sie bereits vor Beginn ihres Studiums eine Marxistin gewesen sei. Als Revolutionärin möchte sie grundlegend die Gesellschaft verändern, das bedeutet auch, die Stellung von Frauen zu verändern und das über die bürgerlich-feministische Forderung nach einem Wahlrecht hinaus. Die spezifische Mobilisierung von Frauen diskutiert sie über viele Jahre mit ihrer 23 Jahre älteren Freundin Clara Zetkin, die führende Kraft einer proletarischen Frauenbewegung etwa als Herausgeberin der Zeitschrift „Die Gleichheit“ und Verfasserin der „Richtlinien für eine kommunistische Frauenbewegung“ von 1920. Beide Frauen verlassen die SPD wegen im Parlament von dieser Partei mit bewilligten Krediten, die als kriegstreibend von der Opposition abgelehnt wurden. Rosa Luxemburg ist eine Frau, die sich öffentlich äußert und führenden Männern – gegnerischen wie jenen der gleichen politischen Ausrichtung – mit intellektuellen Gegenargumenten, leidenschaftlichen Überzeugungen und konkreten Alternativen offen entgegen tritt. Daneben wird ihr trotz diverser Widrigkeiten, wie einer Behinderung und langen Gefängnisaufenthalten, eine lebensfrohe und heitere Persönlichkeit bescheinigt, die im Film von Margarete Trotta aus dem Jahr 1985 bildlich in Szene gesetzt wurde.

Ihr privater Lebensentwurf:

Das Leben Rosa Luxemburgs beginnt behütet als Jüngste von fünf Kindern einer gutbürgerlichen, gebildeten jüdischen Familie in Polen. Bildung fand der Vater auch für seine beiden Töchter wichtig, früh zeigte Rosa (Kurzform von Rosalie) ihre sprachliche Begabung. Lesen und Schreiben brachte sie sich autodidaktisch bei während einer einjährigen erzwungenen Bettruhe wegen eines falsch diagnostizierten Hüftleidens, das sie fortan als leichtes Hinken Zeit ihres Lebens begleitete.

Die weiblichen Rollenklischees wurden von Rosa Luxemburg nie bedient, sie heiratete nicht, hatte keine Kinder, aber eine langjährige Partnerschaft mit dem Genossen Leo Jogiches und ein leidenschaftliches Liebesverhältnis mit dem Sohn von Clara Zetkin. Eine herkömmliche weibliche Attitüde (nahezu erleichtert von der Rezeption aufgegriffen) findet sich in ihren privaten Briefen, die ihre große Liebe zu Blumen und ihrer Katze Mimi ausdrücken sowie die innige (briefliche) Beziehung zu Mathilde Jacob und deren Familie – weitere Aspekte dieser schillernden, spannenden und klugen Frau, nicht mehr und nicht weniger.

Ele Grimm

 

 

 

 

 

 

In der DENKtRÄUME-Bibliothek finden sich folgende Schriften von und über Rosa Luxemburg zur weiteren Auseinandersetzung mit ihrer Politik und ihrer Person sowie mit der Frage, ob diese für heutige Feminist*innen von Interesse sein sollten oder könnten:

Rosa Luxemburg: Ich umarme Sie in großer Sehnsucht : Briefe aus dem Gefängnis 1915-1918. Verlag J.H.W. Dietz Nachf. 1980
Signatur: Wh Lux 3.b

Rosa Luxemburg: Gesammelte Werke. Dietz Verlag 1974
Signatur: Bab Lux 1.1-4

Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals. Neue Kritik 1970
Signatur: Bab Lux 2

Rosa Luxemburg: Herzlichst Ihre Rosa. Ausgewählte Briefe. Dietz Verlag 1990
Signatur: Wh Lux 5

Kate Evans: Rosa. Die Graphic Novel über Rosa Luxemburg. Dietz Verlag 2020
Signatur: Rx Eva

Annelies Laschitza: Rosa Luxemburg. Ihr Wirken in der deutschen Arbeiterbewegung. Verlag Marxistische Blätter 1971
Signatur: Wh Lux 4

Elzbieta Ettinger: Rosa Luxemburg. Ein Leben. Dietz Verlag 1990
Signatur: Wh Lux 7

Frigga Haug: Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik. Argument Verlag 2007
Signatur: Ba 39

Annelies Laschitza: Im Lebensrausch, trotz alledem Rosa Luxemburg. Eine Biographie. Aufbau-Verlag 1996
Signatur: Wh Lux 1

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