Das umfangreiche, aber gut zu lesende Buch „Sexismus“ von der Professorin für englische Literaturgeschichte Arndt lässt sich mit Fug und Recht als Bibel der verschiedensten historischen wie aktuellen Unterdrückungsmechanismen des Patriarchats bezeichnen. In einen Vor-Vorwort verweist die Autorin auf ihre persönliche Geschichte mit Sexismus hin. Angefangen in ihrer Kindheit bis hin zu ihrer wissenschaftlichen Karriere, wurde sie als Mädchen und Frau immer wieder konfrontiert mit ungerechten Behandlungen und kränkenden Erlebnissen.
Die zentrale These von Arndt lautet, Sexismus ist ein Denk- und Handlungsmuster, das systematisch Frauen und nicht-binäre bzw. homosexuelle Menschen diskriminiert, aufbauend auf einem Postulat der binären Zweigeschlechtlichkeit, die die tradierten Begriffe Frau und Mann ideologisch als essenziell festschreibt.
In einem ersten Kapitel verweist „Sexismus“ auf ein Geflecht von Privilegien einer männlichen Vorherrschaft, die ein die Gesellschaft prägendes „Ensemble“ (S. 49) bilden von politischen, juristischen, ökonomischen, religiösen, moralischen und kulturellen Prägungen. Dieses System dekliniert die Autorin auf den Ebenen geschlechtliche Konstruktionen, daraus entstandene bzw. basierende Stereotype, die mittels juristischer und theologischer Begründungen über die Jahrhunderte verfestigt werden. Macht und Herrschaftskonstellationen reproduzieren sich so selber, sie prägen sowohl Individuen als auch Kollektive und das über Jahrtausende. Auf diese historische Herleitung mit vielen konkreten Beispielen folgen vertraute Manifestationen der gut abgesicherten patriarchalen Macht, wie sexuelle Gewalt, beschränkter Zugang zu Bildung und Erwerbsarbeit, Re-Repräsentation des „Weiblichen“ im männlich begehrenden Blick mit seinen Auswirkungen in Sprache bis Kleidung.
Nach Zweidritteln des Buches widmet sich die Autorin den Bewegungen und Strategien gegen Sexismus. Handlungsfähigkeit gefangen in einer tradierten Machtmaschinerie findet über Widerstand zunehmend Räume auf der emotionalen Grundlage von Empörung und Wut. Arndt subsumiert die von sich widersetztenden Frauen geprägten Gegenbewegungen zu „Feminismen“ (S. 268), mit Strategien von der Antike bis heute. Die teilweise sehr unterschiedlichen Ansätzen werden ausführlich und ohne Parteinahme vorgestellt. Hingegen positioniert sich Arndt sehr explizit gegenüber diskriminierenden Aspekten eines „weißen, westlichen Feminismus“ (S.311), der trotz Intersektionalität als theoretischem Ansatz noch keinen praktischen Perspektivwechsel vorgenommen hat. „Deswegen bedarf Feminismus eines Polyloges, also eines vielstimmigen Gesprächsverlaufs, der Machtverhältnisse und sich daraus ergebende Konstellationen und Sprecher*innenpositionen ernst nimmt.“ ( S. 313) Die konkreten Forderungen Arndts beziehen sich dann auf Rechtsprechung, Empowerment und Sprache für eine Reduzierung der immer noch vorherrschenden sexistischen Macht, die fortlaufend weitere Veränderungen auf gesellschaftlicher wie individueller Ebene braucht.
Insgesamt ist das Buch „Sexismus“ein flammendes wie differenziertes Plädoyer für eine bessere Welt, mit einem reichhaltigen Repertoire an Argumenten gegenüber allen Leugnern der Unterdrückung durch sexistische Mechanismen. In der Fülle der feministischen Gegenentwürfen bleiben Details auf der Strecke, als Mut machendes Kompendium eignet sich die beeindruckende Vielzahl von Frauen-Bewegungen hingegen sehr.
Susan Arndt: Sexismus. Geschichte einer Unterdrückung, C.H.Beck 2020, 416 S., 26 Euro
In unserer Bibliothek entleihbar unter der Signatur: Acf 15
Gabriele Grimm