Gelesen: Mirna Funk, „Who Cares“

Mirna Funk wurde 1981 in Ostberlin geboren, nach eigenen Angaben in einer vom Kommunismus überzeugten Familie. Sie ist freie Journalistin und schreibt Kolumnen u.a. in der Cosmopolitan. Im „Deutschland Archiv“ der Bundeszentrale für politische Bildung wird sie als eine der gefragtesten jüdischen Stimmen Deutschlands bezeichnet. Für Funk ein langer Weg, den sie sich erst erkämpfen musste. Denn ihre jüdischen Wurzeln liegen nicht auf der Mutterseite, die hier einen traditionellen Vorteil der Matrilinearität bedeutet hätte. Funk schreibt auch gerne öffentlich über ihre Identität als alleinerziehende Mutter einer jüdischen Tochter eines jüdischen Vaters, hat bisher zwei Romane verfasst, „Who Cares“ ist ihr erstes Sachbuch.

Bei dem vorliegenden schmalen Band handelt es sich um einen flott wie polemisch geschriebenen Essay. Der Titel lässt zunächst eine Allianz mit der Care-Bewegung assoziieren, das Gegenteil ist der Fall. Ihre Streitschrift richtet sich gegen die von Funk als Gegnerinnen ausgemachten Feministinnen, die als verweichlichte Westfrauen autonome wie ehrgeizige Ostfrauen dissten. So entstand „who cares“ als Reaktion mit sprachlichem Stinkefinger auf einen über die Autorin hereingebrochenen Shitstorm. Online zum Muttertag 2021 bei pink stinks hatte sie zum Verlassen der faulen Männer aufgerufen und Frauen an eine notwendige finanzielle Unabhängigkeit „erinnert“. Für einen Einblick in den flammenden Stil von „Who Cares“ hier ein Zitat:

„Es spielt keine Rolle, warum manche Frauen sich als Opfer und andere sich als Subjekte ihres eigenen Lebens begreifen. Wichtig ist, dass Letztere seit Jahren von angeblichen Feministinnen in diesem Land beschimpft und beleidigt werden, wenn sie nicht mit einstimmen in die feministische Ideologie der großen immerwährenden Leidensgeschichte, an der Frauen keine Schuld tragen, nur Männer und das System und das Patriarchat und der Kapitalismus.“ (S. 12f.)

Bei aller explizit behaupteten Intention, Frauen mit der eigenen Person als Identifikationsmodell Mut machen zu wollen, verbleibt dieses biographisch begründete Pamphlet für eine weibliche individuelle Freiheit zu sehr einem schwarz-weiss oder gut-böse Denken verhaftet. Sie setzt die von ihr kritisierte Spaltung zudem fort mit einem kränkenden, abwertenden Vokabular, wenn sie die Ostfrauen mit dem Stereotyp Stärke versieht, während für sie die westlichen „Reihenhausfeministinnen“ jammern. Ein Buch ganz im Sinne einer populistischen, identitär ausgerichteten und so gar nicht fortschrittlich gemeinten Politik.

Mina Funk: Who Cares! Von der Freiheit Frau zu sein, dtv 2022, 111 S., 10 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Aal 48

Ele Grimm

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