Lesetipp: Wiebke Dierks (Hg.), „Nachkommen“

Die Idee hinter dem in Pink-, Lila- und Rottönen gehaltenen Cover, das jeweils fünf Finger zeigt, von denen vertikal angeordnet in der Mitte die mittleren Finger sich berühren, ist genial. „Nachkommen“ in unserer traditionell patrilinearen Gesellschaft sind eben auch die Töchter, sie bilden die nächste Generation und kommen nach ihren Müttern: zeitlich – aber auch äußerlich wie charakterlich? Einundzwanzig Frauen* haben sich darauf eingelassen, ihrer Mutter einen ehrlichen Brief zu schreiben, eine Form der Kommunikation, die bekannt ist aus dem therapeutischen Bereich, aber auch zu Zeiten von Corona eine Neubelebung erfuhr. Für das Buch wurden von der Herausgeberin explizit Frauen* gesucht, die Aktivistinnen sind: „Aktivismus ist nicht bloß das Gegenteil von passiv sein, er verlangt mehr: ein Ziel.“ (S.16)

Allen briefschreibenden Töchtern* eint die “couragious energy“, im Buddhismus die vierte der sechs Paranitas, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wie das geschieht ist sehr unterschiedlich, ebenso unterschiedlich, wie die Beziehung zur eigenen Mutter sich gestaltet hat unter den Einflüssen von Kultur, Zeitgeschichte und persönlicher Entwicklung. Das Buch schließt mit dem Fazit der psychologischen Expertin Claudia Haarmann, auch offen über ihre eigene Muttergeschichte berichtend, dass erwachsene Töchter ihr Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen können und sollen. Auch wenn es sich nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt, so fehlt mir doch ein wenig mehr Einordnung. Aber es lässt sich kein kausaler Zusammenhang herstellen zwischen verschiedenen Mutterbildern – von bedingungslos unterstützend über schweigsam versorgend bis distanziert – und der Biographie der Tochter*. Was bleibt ist eine wunderschöne, spannende Kette von kurzen oder längeren Briefen, zwei davon zum Muttertag in der „Zeit“ veröffentlicht, die einen Einblick geben in die selten einfache Beziehung, die schon im Mutterleib beginnt.

Wiebke Dierks (Hg.): Nachkommen. Wenn Töchter ihren Müttern schreiben, &Töchter 2022, 230 Seiten, 22 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Hb 117

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