Gelesen: Lisa Taddeo, „Three Women – Drei Frauen“

Triggerwarnung: sexuelle Gewalt, sexuelle Nötigung, Missbrauch

Lisa Taddeo schreibt in ihrem Buch „Three Women – Drei Frauen“ über die Begierde dreier Frauen. Laut dem Marketing für das Buch ist es das „Buch der Stunde über weibliche Sexualität zwischen Lust und Macht, anziehend und verstörend, vielschichtig, gewaltig und schön“. (PIPER Verlag) Ich selbst habe es als eher erschreckend erlebt.

Lisa Taddeo hat laut eigenen Angaben im Vorwort acht Jahre in dieses Buch investiert und ist dafür mehrere Male quer durch die USA gereist, hat sich zum Teil eine Zeitlang an den Orten ihrer Protagonistinnen niedergelassen, um die Stimmung dort besser einfangen zu können. Sie habe viele Frauen zu ihrem Sexualleben befragt, schließlich schildert sie die Geschichte dreier Frauen in ihrem Buch. Ob Taddeo eine bewusste Wahl getroffen hat oder die drei Frauen schlicht übrigblieben, weil keine andere der Befragten sich in dieser Form exponieren wollte oder konnte, ist schwer einzuschätzen. Taddeo deutet in ihrem Epilog Etwaiges an, es bleibt jedoch unklar. Letztendlich thematisiert das Buch das Sexualleben der drei Frauen Maggie, Lina und Sloane aus der amerikanischen Provinz; Indiana, North Dakota und Rhode Island sind die Schauplätze.

Linas und Sloanes Geschichten wurden anonymisiert, während es sich bei Maggie um Maggie Wilken handelt, die in den USA bekannt ist, da sie als 17-jährige Schülerin ein Verhältnis mit ihrem damals 29-jährigen Lehrer gehabt haben soll und ihn sechs Jahre später wegen Verführung Minderjähriger verklagte. Die Geschichte von Maggie beginnt bei Taddeo daher auch vor Gericht, wo sie ihrem Lehrer nach langer Zeit erneut begegnet. Seit der damaligen Affäre leidet Maggie unter Depressionen und bekommt ihr Leben nicht in den Griff. Zudem wird sie nach Bekanntwerden des Falles von der Öffentlichkeit als „geldgeil“, „fett“ und als „Hure“ beschimpft.

Sloane kommt aus einem gutbetuchten Elternhaus, und auf den ersten Blick sieht es so aus, als fehle es ihr an nichts und als sei sie eine selbstbewusste Frau, die wisse, was sie wolle und begehre. Mit dem Fortlauf der Geschichte wird deutlich, dass Sloane eine schwierige Vergangenheit hatte. Eine distanzierte Familie, ein schwerer Unfall, den sie selbst verursacht hatte und der ihr seither Schuldgefühle macht. Zudem leidet sie an einer latenten Bulimie. Sie ist zu Beginn der Geschichte verheiratet mit einem Koch und besitzt gemeinsam mit ihm ein Feinschmeckerlokal. Ihr Mann schlägt ihr bereits in einer sehr frühen Phase ihrer Ehe vor, ihr beim Sex mit anderen Männern oder Paaren zuzusehen, und sie lässt sich darauf ein. Sie scheint es zu genießen, doch wird letztendlich in dem Arrangement deutlich, dass es ihr Mann ist, der entscheidet und ihr die Sexualpartner*innen aussucht – und dass es auch eher ihn geil macht zu wissen, dass sie mit anderen Sex hat.

Lina, die dritte Protagonistin, hat ihren Ehemann satt, der sich seit Jahren weigert, sie zu küssen, das Wenige, das sie sich von ihm wünscht. Sie beginnt eine Affäre mit ihrer Jugendliebe Aidan, der ihr zwar Lust verschafft, aber keine Liebe schenkt. Aiden und sie trennten sich, als Lina in der Highschool von drei Freunden ihrer älteren Schwester vergewaltigt worden war und es im Anschluss daran hieß, Lina hätte an einem Abend mit drei Typen gleichzeitig geschlafen.

Das Buch beschreibt rein heterosexuelles Begehren – sehr detailliert, Sex Sells scheint das Motto zu sein. Zwar schläft Sloane auch mit Frauen, sie sind aber immer nur Teil eines heterosexuellen Vergnügens. Aber vor allem beschreibt das Buch die Orientierung auf den anderen – in diesem Fall Männer. Die Frauen machen sich zum Objekt, ja zur Dienerin männlicher Begierde, und diese Fixierung auf den Mann sei dann die Begierde der Frau? Alle drei Protagonistinnen leiden zudem unter ihrer jeweils aktuellen Situation; hinzukommt, dass keine der Frauen ihre Situation und ihr Unglück hinterfragt, so als sei es völlig „normal“ oder zumindest nicht verwunderlich, dass z. B. Lina jedes Mal fast verzweifelt, wenn sie und Aiden sich trennen – nachdem sie, auf Abruf bereit, kilometerweit zu ihm gefahren ist, immer verfügbar. Oder dass Maggie im Gerichtssaal, als sie auf ihren ehemaligen Lehrer trifft, immer noch hofft, er hätte sie nicht ausgenutzt, sondern würde doch (noch) etwas für sie empfinden. Oder Sloane, die letzten Endes mit anderen schläft, weil sie ihrem Mann gefallen will um jeden Preis. 

Das Erschütternde an diesen Geschichten ist, dass sie suggerieren, Frauen fänden nur als Objekt männlicher Begierde Erfüllung. Als sei dies die Normalität. Vielleicht ist sie das auch für irgendwen, irgendwo, aber sicher nicht für alle und immer. Was das Buch zur aktuellen Debatte um das Geschlechterverhältnis beitragen und warum es „das Buch der Stunde“ sein soll, bleibt absolut unklar aus meiner Sicht. Letztlich kann ich es nur als Warnung verstehen: Ist das die Realität weiblicher Begierde heute, dann muss sich dringend ganz viel ändern.

Taddeo, Lisa: Three Women – Drei Frauen, Piper, 2020, 415 S., 22,00 €

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Ausleihbar in unserer Bibliothek unter der Signatur Iab 82.

Ojdana Triplat

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