Lesetipp: Rebecca Makkai, „Die Optimisten“

In Paris liebt Nora den Maler Radko, der in den ersten Weltkrieg ziehen muss. Seine Zeichnungen bewahren für Nora ihre Liebe, die sie siebzig Jahre später mit anderen teilen möchte. Fiona liebt ihren großen Bruder, sie sorgt für ihn seit er von den Eltern ignoriert wird, nachdem er sein coming-out als Schwuler hatte. Yale liebt in Chicago den AIDS Aktivisten Charles, der sehr eifersüchtig ist. Fiona liebt ihre Tochter Claire, die sie in Paris sucht und auf alte Weggefährten trifft.

Der klassische amerikanische Gesellschaftsroman „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai (Jahrgang 1978) besteht aus einem kunstvoll gesponnenen Geflecht mit individuellen Charakteren in unterschiedlichen historischen Zusammenhängen. Im Zentrum stehen die Jahre 1985/86 und das Thema AIDS mit seinen privaten wie gesellschaftlichen Folgen aus der Sicht des jungen schwulen Kunsthistorikers Yale. Dieser trifft beruflich auf die über 90jährige Nora, die als Muse kurz vor dem 1. Weltkrieg und dann wieder 1919 zum Kunststudium nach Paris ging und auf viele berühmte und weniger berühmte Maler traf. Als Lohn für ihre Arbeit als Modell erhält sie Zeichnungen und Skizzen, die im Jahre 1985 einen Wert von über zwei Millionen Dollar haben. Die dritte Hauptfigur Fiona stellt den Kontakt zwischen ihrer Großtante Nora und Yale her, damit dieser eine Ausstellung der Bilder ermöglicht. Fiona ist die kleine Schwester von Nico, der am Anfang des Buches bereits an AIDS verstorbenen ist. Im Jahr 2015 steht Fiona mit ihrer Perspektive im Mittelpunkt von Ereignissen, die wiederum in Paris stattfinden und mit einer Ausstellung von Fotos und Videos der 80er Jahre in Chicago endet. Sie ist auf der Suche nach ihrer 23jährigen Tochter und findet ihre eigene Geschichte.

Wartet man nicht eigentlich permanent darauf, dass die Welt aus den Fugen gerät? Wenn die Verhältnisse stabil sind, dann immer nur vorübergehend.

Das vorherrschende Thema des Romans ist die existentielle Angst vor dem Tod, vor Verlust aller Sicherheit, angefangen mit dem 1 Weltkrieg, der Spanischen Grippe, der AIDS Epidemie vor den ersten wirksamen Medikamenten bis zum Paris des neuen Jahrhunderts, das erschüttert wird durch die islamistischen Anschläge vom 13. November. Trotzdem handelt es sich bei dem Roman um keine pessimistische oder resignierte Dystopie. Überwiegend transportiert durch intensive Innenschau und spannende Dialoge, entsteht eine große Nähe zu den Hauptfiguren, die auch eigene Erfahrungen z.B. mit der Corona-Pandemie beim Lesen auftauchen lässt. Die permanente Wiederholung von Katastrophen in der Geschichte hält die Menschen glücklicherweise nicht davon ab, immer weiter zu machen, so schlägt der Schlusssatz des Buches einen direkten Bogen zu seinem Anfang in einer positiven Schleife des Aufbruchs und der Neugierde (hoffentlich nicht nur für junge Männer):

Dann fing der Film wieder von vorne an, das Bistro was unversehrt. Junge Männer mit den Händen in den Hosentaschen, die darauf warteten, dass alles begann.

Trotz aller Dramatik ermöglicht „Die Optimisten“ ein kurzweiliges Abtauchen in gut recherchierte Zeitgeschichte und ist trotz seiner Längen unbedingt lesenswert und auszuleihen in der Bibliothek von DENKtRÄUME unter der Signatur R Mak 1.

Rebecca Makkai: Die Optimisten, Eisele Verlag 2020, 615 S., 25 Euro

Das amerikanische Original ist 2018 erschienen unter dem Titel „The Great Believers“ und wurde übersetzt von Bettina Arbarbanell.

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Gabriele Grimm

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