Lesetipp: Fank/Arend (Hg.), „Ravensbrück denken“

Festschrift zum Abschied von Insa Eschebach als Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Insa Eschebach leitete die Gedenkstätte von 2005 bis 2020, davor war sie in der Gedenkstätte Neuengamme tätig.

Von 1939 bis 1945 wurden in dem Konzentrationslager 120.000 Frauen aus 30 Nationen, darunter 40.000 Polinnen, gequält, gefoltert und ermordet. Den Autorinnen und Autoren ging es nicht darum, die Geschichte des KZ für Frauen von 1939 bis 1945 akribisch nachzuverfolgen. In ihren Beiträgen verstehen sie sich als Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter von Eschebach, die Ravensbrück ausgehend von dem Verständnis der Gedenkstätte als Orte der Erinnerungen und Rituale der Gedenkveranstaltungen als Ort der politisch-historischen Bildung entwickelte.

Generationengespräche mit Überlebenden und ihren Angehörigen waren ihr dabei wichtig und finden als Biografien Niederschlag im Buch. Mit (immer noch) gesellschaftlichen Tabus belegte Themen wurden von den Autorinnen und Autoren unter genderbezogenen Ansätzen erforscht. Dazu gehörten sexualisierte Gewalt, Zwangsprostitution – auch in Konzentrationslagern, auch in Ravensbrück. Opfergruppen der politischen Widerstandskämpferinnen, christliche Widerständige werden gewürdigt sowie Frauen, die bei den Nationalsozialisten als arbeitsscheu verleumdet wurden und als asozial. Ebenso Gefangene, die nicht in das von den Nazis verherrlichte Frauenbild passten, weil sie beschuldigt wurden, wechselnde Männerbeziehungen zu haben – oder als lesbisch galten. Aus dieser Gruppe kämpften Überlebende nach dem Krieg vergeblich um Anerkennung, die aufgeführten Biografien Überlebender zeigen es.

Wie schwer es für lesbische Häftlinge war (und ist) Anerkennung zu finden, zeigt der Beitrag „eine Kugel eckt an“. Bei der Gedenkfeier 2015 ließ die „Initiative Autonomer feministischer FrauenLesben aus Deutschland und Österreich“ die Kugel über das Gelände rollen – ungenehmigt, weshalb sie wieder entfernt werden musste. Ihre Forderung: eine Gedenktafel muss an die Verfolgung von Lesben erinnern. Die Autorinnen würdigen die Mühen von Insa Eschebach, mit vielen Veranstaltungen, Workshops und Diskussionen um Aufklärung. Doch noch immer gibt es die Tafel am Gedenkort neben der Mauer der Nationen nicht. Sie sollte die Aufschrift tragen: „Im Gedenken an die lesbischen Frauen und Mädchen, die im KZ Ravensbrück inhaftiert, gequält und ermordet wurden.“

Nicht ausreichend gewürdigt sieht eine Gruppe von Aktivistinnen auch das Leiden von etwa 1.200 Mädchen und jungen Frauen, die als „asozial“ in das nah gelegene KZ Uckermark eingewiesen wurden. Es wurde 1942 eingerichtet als „Jugendschutzlager Uckermark“ für „weibliche Minderjährige (16 bis 21 Jahre), errichtet von Häftlingen des KZ Ravensbrück. In Zusammenarbeit von Jugendbehörden, Fürsorgebehörden und kriminalpolizeilichen Stellen sollte die Inhaftierung der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung dienen. Für weitere Informationen nennt das Buch in einer Fußnote immerhin eine Website: www.gedenkort-kz-uckermark.de. Ergänzend dazu von mir: auf Youtube findet sich eine Rede anlässlich der virtuellen Gedenkfeier in diesem Jahr [hier].

Nicht unerwähnt lassen will ich einen Beitrag von Detlef Garbe, dem langjährigen Leiter der Gedenkstätte Neuengamme: Opferorte waren auch Täterorte schreibt er. Täterinnenorte möchte ich hinzufügen.

Trotz kritischer Anmerkungen eine wichtige Textsammlung für alle, die sich mit Gewaltforschung auseinandersetzen wollen Und schließlich: das Buch enthält eine lange Literaturliste!

Petra Fank/Sabine Arend (Hg.): Ravensbrück denken. Gedenk- und Erinnerungskultur im Spannungsfeld von Gegenwart und Zukunft, Metropol Verlag 2020, 376 S., 24 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Eg 83

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Sigrid Meißner

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