Die junge Babysitterin Emira wird als Kidnapperin verdächtigt. Weil sie nachts im Supermarkt mit dem Kind tanzt? Weil sie leicht angetrunken ist? Weil sie Schwarz ist? Ein Zeuge filmt die Szene und wird bald darauf zu ihrem Lover. Weil er sich verliebt hat? Weil er alles Schwarze zum Fetisch erhebt? Die Arbeitgeberin Alix hat ein schlechtes Gewissen und möchte sich unbedingt mit ihrer Babysitterin anfreunden. Aber dann stellt sich heraus, dass Emiras Lover in der Abschlussklasse eine Beziehung mit ihr selbst, Alix, hatte, die für sie schmerzlich zu Ende ging. Weil sie reich und weiß ist? Sie spinnt eine Intrige, die das Paar auseinanderbringt. Aus Rache? Aus Beschützerinstinkt?
Die Motive der Beteiligten bleiben bis zum Schluss im Dunkeln. Der gute Wille, nicht rassistisch zu sein, wird als Selbstliebe entlarvt, als Machtdemonstration. Allemal untauglich, um an den Verhältnissen etwas zu ändern. Nur Emira, der verletzliche Mittelpunkt des Geschehens, bleibt im Innersten unberührt. Sie wehrt sich ihrer Haut, lässt sich weder retten noch kaufen.
Vielleicht ist der Autorin vorzuwerfen, dass alle Personen außer der Hauptperson ein wenig schrill gezeichnet sind. Vielleicht ist das aber auch ein Kunstgriff, weil man sich als Leserin dadurch der Hauptperson besonders nah fühlt. Als sei man unfreiwillig mit Emira auf einer zu lauten Party und möchte sie nun beschützen. Vorsicht, Falle! Emira braucht uns nicht.
Und noch eine Lesart bietet sich an: Emiras Arbeitgeberin Alix ist gleichzeitig ihr Gegenstück. Verliebt in denselben Mann. Umringt von guten Freundinnen. Gebrandmarkt durch ein Erlebnis, bei dem sie zugleich Opfer und Täterin ist. Dem sie letztlich erfolglos zu entrinnen trachtet.
Im Showdown versucht Alix, sich endgültig und öffentlich vom Vorwurf des Rassismus reinzuwaschen, indem sie Emira aus dem Sumpf rettet, in den sie sie vorher hineingestoßen hat. Emira durchschaut das Manöver und geht.
Hauptaussage bleibt: Es ist nahezu unmöglich sich selbst auf die Schliche zu kommen. Niemand kann aus seiner Haut. Dennoch erscheint in diesem Buch Rassismus nicht als unabänderlich. Es ist ein spannender Komplex, in dem die Suche nach Täter und Opfer nicht immer weiterhilft. Trotz der Zuschreibungen von außen bleibt jeder Mensch das verantwortliche Subjekt seiner Handlungen. Diese Situation der Leserin erfahrbar zu machen ist das Verdienst der Autorin. Die Story wird rasant und mit viel Witz erzählt. Es gibt keinen Zeigefinger und keine Lösungen.
Kiley Reid: Such a Fun Age, Ullstein 2021, 352 S., 22 Euro
In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: R Rei 4/1
Alex Fadiga