Lesetipp: Isabel Allende, „Was wir Frauen wollen“

„Was wir Frauen wollen“ ist ein Manifest. Das Manifest einer internationalen Frauenbewegung, die es so als Institution nicht gibt. Das Manifest einer weltbekannten Schriftstellerin, die von sich sagt, sie sei schon im Kindergarten Feministin gewesen. Es ist eine politische und zugleich sehr persönliche Kampfansage an das Patriarchat.

Manifest, das klingt nach sprödem Parteiprogramm, aber nein, keine Angst, dieses Buch liest sich leicht, trotz harter Fakten, drastischer Anklagen und klarer Forderungen. Textprobe: „Jeder mürrische Dickwanst über siebzig fühlt sich fähig, etwas mit einer zwanzig Jahre jüngeren Frau anzufangen, dagegen wirkt eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann immer noch obszön.“

Erinnerungssplitter, autobiografische Anekdoten – wir erfahren viel über das Leben der Schriftstellerin, von der Mutter Panchita, die sich den Wünschen ihres Mannes unterordnete und immer Angst hatte, Isabel würde aufgrund ihres aufmüpfigen Charakters nie einen Ehemann finden. Nun, sie hat drei gefunden, die es wagten.

Leider sei sie „heillos heterosexuell“, gesteht Isabel Allende. „Besser wäre es, bisexuell oder lesbisch zu sein, denn die Frauen in meinem Alter sind spannender als die Männer, und sie altern auch besser.“

Allende findet die richtigen Worte, um zu beschreiben, was Frauen in aller Welt erleiden müssen und nicht mehr erleiden wollen. Oder sollten wir besser sagen „nicht mehr erleiden sollten“? Denn es ist ja keineswegs so, dass wir Frauen uns alle einig wären. Da gibt es in Deutschland (siehe Münster) die Mutter, die ihr Kind dem Missbrauch ausliefert, während in afrikanischen Ländern Mütter meinen, eine Klitorisbeschneidung sei das Beste für ihre Töchter. Der Beitrag des weiblichen Geschlechts zur Unterdrückung der Frauen ist ebenso wenig Thema wie die Verschiedenheit und die Uneinigkeit der Frauen. Vielleicht gut so.

Nichts bleibt unerwähnt in dieser Sammlung von Ereignissen und Gedanken zur Lage der Frauen in aller Welt. Sex im Alter, überhaupt das Alter und der Sex, seine begehrenswerten, seine bösen Seiten, Vergewaltigung im Kriegsgeschehen, Benachteiligung in Job, Kreativität und Entfaltung, Abtreibung, Gendern, wirtschaftliche Abhängigkeit… Wir alle kennen die Themenliste.

Das ist nicht neu, dachte ich beim Lesen, aber trotzdem: Das Buch ist interessant. Es ist emotional, es ist persönlich und es ist radikal. Da hat eine Frau Ende Siebzig absolut keine Lust mehr, alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher. Die feministische Revolution, meint sie, sei bei weitem tiefgreifender und beständiger als jede andere, die Oktoberrevolution etwa. Denn sie betreffe die Hälfte der Menschheit und lasse am ehesten hoffen, dass die Zivilisation, in der wir leben, von einer besseren abgelöst werden wird.

Eine, die sich von Fesseln befreit hat, erfolgreich ist, hat aufgeschrieben, was viele empört und was wir schon lange ändern wollen. Sie formuliert es in einer Weise, dass sicherlich unendlich viele Frauen bereit wären, die ganzen 184 Seiten zu unterschreiben. Das hat so manche kurze Resolution, die Ausdruck der Frauenbewegung werden sollte, nicht geschafft.

Isabel Allende: Was Frauen wollen, Suhrkamp 2021, 184 S., 18 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Wa All

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Sabine Stamer

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