Ganz schön haarig ist das Buch von Anna C. Paul. Und dies im doppelten Sinne: Zum einen sind sie sichtbar, sei es auf Bildern und in Comics im Buch oder einfach nur im Layout – überall sprießen Haare fröhlich vor sich hin. Zum anderen (und auch im anderen Wortsinne) dürfte es für manche peinlich oder unangenehm sein, sich mit der Sichtbarkeit von Haaren zu beschäftigen, wenn sie sich – zumindest bei weiblich* gelesenen Personen – woanders am Körper als im Bereich oberhalb der Nasenspitze befinden. Doch genau das ist das Anliegen des Buches, einmal ganz frei darüber zu sprechen, warum ein weiblich* gelesener Körper in unserer Gesellschaft eigentlich haarlos zu sein hat und was das für Probleme, Gefühle und Schwierigkeiten bei jede*r einzelnen auslösen kann – oder auch nicht.
Das Buch versammelt daher gut 50 Beiträge, in denen weibliche*, männliche* und genderqueere Menschen zwischen 12 und 81 Jahre ihre persönliche Sicht zum Thema haarfreier bzw. haariger (weiblicher*) Körper schildern. Ganz wertfrei lädt das Buch ein, die verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen, Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede festzustellen und sein eigenes Verhältnis zu Körperbehaarung zu erforschen.
Das ist auch der große Schatz des Buches: Die vielen Stimmen und verschiedenen Perspektiven machen deutlich, dass dieses Thema in der einen oder anderen Form alle angeht und es bedauerlich ist, dass wir nicht offen darüber sprechen (können). Und noch viel bedauerlicher ist, dass wir nicht alle so sein können mit unseren Haaren, wie wir uns wohl fühlen. Denn auch hier gilt leider: Wer zu sehr aus der Reihe tanzt – vor allem in Richtung zu viel Haare – sieht sich schnell im besten Fall irritierenden Blicken, im schlimmsten Fall abfälligen Kommentaren ausgesetzt.
Und das ist für mich der Kern der Botschaft. Es zieht sich – ganz unabhängig davon, ob die Autor*innen Körperbehaarung befürworten oder nicht – als roter Faden durch die Statements, dass Körper immer auch im gesellschaftlichen Kontext existieren und es sich daher doch sehr lohnt, sich selbst die Frage zu stellen, wie unabhängig von anderen wir unser Verhältnis zu unserem Körper, und hier im Speziellen zu unserer Körperbehaarung, eigentlich leben können. Wie frei entscheiden wir über unser Aussehen und warum machen wir eigentlich mit, wenn wir das alles vielleicht überhaupt nicht so gut finden?
In jedem Fall trennt uns das Schweigen über Themen und führt uns in die Isolation. Das Buch ist aus meiner Sicht daher eine tolle Gelegenheit um festzustellen, dass wir selbst jede*r für sich vielleicht gar nicht so sonderbar und aneckend mit unseren Gedanken und Gefühlen über Körperbehaarung sind. Und es bietet die Gelegenheit, in den Austausch über das Thema Körperbehaarung zu kommen, entweder mit anderen im persönlichen Umfeld oder auf der Seite www.superhairywoman.com, wo jede*r als eine Fortsetzung des Buchprojektes von Anna C. Paul die eigenen Erfahrungen zum Thema teilen kann.
Fazit: Ein wirklich tolles und anregendes Buch!
Anna C. Paul (Hg.): Super(hairy)woman*. Erfahrungsberichte im Zeitalter der Haarlosigkeit, Ventil Verlag 2021, 220 S., 20 Euro
In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Iaa 51
Ojdana Triplat