Franziska Schutzbach fasst in gut verständlicher Sprache den aktuellen Diskussionsstand zur Lage der „Frau“ aus feministischer Sicht zusammen. Zunächst thematisiert sie die Schwierigkeit, auf einen Begriff zurückgreifen zu müssen, dessen gesellschaftliche und biologische Füllung ja gerade zur Debatte steht. Es gelingt ihr aber, trotz Betonung dieser Unschärfe eine präzise Darstellung der Frauenrolle, indem sie die „Verfügbarkeit“ und die daraus folgende Erschöpfung zum gemeinsamen Nenner erklärt. Völlig zu Recht führt sie an, dass feministische Forschung bislang selten den Weg in die Öffentlichkeit fand und somit jede Generation Frauen sich dieses Wissen um strukturelle Gründe für ein individuell erlebtes Unvermögen wieder von neuem erarbeiten müsse – ein maßgeblicher Grund für die stete Reproduktion der Erschöpfung. Vielleicht kann dies Buch dem ein Ende setzen.
Zunächst musste ich mich an den Tenor des Buches, der stets parteilich ist und die Frau als Opfer unserer Strukturen auffasst, gewöhnen, aber schnell wurde klar, dass die Autorin tatsächlich meine Welt, meine Erfahrungen und Fallstricke beschreibt – der Wiedererkennungswert ist groß, auch wenn ich die Aufteilung in Opfer (Frauen) und Täter (Männer) nicht zielführend finde.
Vor den Kapiteln über verschiedene Bereiche des Frauseins („Mutterschaft“ „Beruf“ und „Beziehung und Familie“) thematisiert Schutzbach die allgegenwärtigen Komplexe „Sexuelle Verfügbarkeit“, „Die Ursachen des schlechten Selbstvertrauens“, „Warum Emanzipation so viel Kraft braucht“ und „Körperscham.“ Immer geht es darum, persönliche Erlebnisse als gemeinsame Erfahrungen mit strukturellen Ursachen einordnen zu können. Obwohl die Autorin Frauen generell als Opfer in einer patriarchalischen Welt beschreibt, betont sie ihre individuelle Widerständigkeit und die Möglichkeiten der Veränderung. Dankenswerterweise reflektiert sie auch fortlaufend die Gefahr der Generalisierung, sodass ich mich als Leserin zu einer persönlichen Lektüre aufgefordert fühle, im Abgleich mit eigenen Gefühlen und Gedanken. Besonders beim Thema „Mutterschaft“ war diese Abgrenzung nötig, da die Ausführungen Schutzbachs zur Schwangerschaft und zur „Kindzentrierung“ unserer Gesellschaft mich nicht überzeugen. Schwangerschaft als Fremdbesetzung des Körpers? Eine Frau, die zwei Stunden zum Tischdecken braucht, weil sie sich von immer neuen Aufgaben ablenken lässt, sollte dafür nicht die Gesellschaft verantwortlich machen. Und Arbeitsteilung bei der Familienorganisation setzt tatsächlich voraus, dass frau den Partner nach eigenen Vorstellungen handeln lässt. Der Ruf nach flächendeckender Fremdbetreuung für Kinder, Kranke und Alte ist in meinen Augen keine gelungene Antwort auf den selbstverständlichen Wunsch nach Berufstätigkeit. Wesentlich fruchtbarer für eine gemeinsame Weiterentwicklung sind die Vorschläge zur neuen Aufteilung von Care-Arbeit, wie sie von Schutzbach z.B. anhand des Modells von Frigga Haug vorgestellt werden. In der Aufwertung von Hausarbeit und Pflege – nicht nur ökonomisch – steckt tatsächlich das Potenzial zu einer neuen Gesellschaftsordnung.
Franziska Schutzbach: Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit, Droemer und Knaur 2021, 303 S., 18 Euro
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Alex Fadiga