Lesetipp: Christina von Braun, „Geschlecht“ und Christa Randzio-Plath, „Frauenrechte sind Menschenrechte“

Das Cover des Buches „Geschlecht“ macht auf den ersten Blick deutlich, dass es sich hier um eine Frau dreht, eine intellektuelle und fleißige Schreiberin umgeben von einer umfangreichen Bibliothek. Rezensent:innen halten der Autorin gerne vor, dass sie persönlich keinen Anspruch erheben dürfe auf eine repräsentative Verknüpfung ihrer subjektiven mit einer allgemeinen, feministischen Sozialgeschichte. Doch diesen Anspruch erhebt Christina von Braun m.E. nicht, deren berühmter und nicht unumstrittener Onkel in keinem Artikel über sie fehlen darf.

Geboren 1944 im Vatikan als Diplomatentochter, aufgewachsen in Rom, London, Paris und New York, arbeitete Christina von Braun nach dem Abitur als Journalistin und Filmemacherin mit einem Oeuvre von 50 Filmen und Dokus. Sollte frau sagen, trotz oder neben ihrer Rolle als Ehefrau eines Psychiaters und Mutter von zwei Kindern, gilt sie als erste Professorin mit einem Lehrstuhl für Gender-Fragen an der Humboldt Uni im Fach Philosophie ab 1994.

Ihre detaillierte Autobiographie kann als Fortsetzung eines genealogischen Erforschens der eigenen Familiengeschichte betrachtet werden, nachdem ihr letztes Buch 2018, „Blutsbande“, die Geschichte ihrer Großeltern- und Eltern-Generation aufarbeitete. Ihre früh verwitwete Großmutter mütterlicherseits, war eine sehr autonome Frau mit einem eigenen Verlag, der 1933 von den Nazis enteignet wurde. Die Großmutter starb in einem nationalsozialistischen Gefängnis als Mitglied der Widerstandsgruppe „Freies Deutschland“.

Ihre eigene Rolle in der neuen feministischen Bewegung sieht Braun hauptsächlich vom geschichtlichen Zufall einer Zeitenwende geprägt: „Geschichte ist ein Fortsetzungsroman, und zum ersten Mal beteiligen sich auch die Frauen an der Erzählung.“ (S. 18) Das frau nicht alles befürworten muss, was Braun schreibt, zeigt sich hier, dennoch ein kurzweilig geschriebenes Buch über die letzten 80 Jahre und verschiedene Strömungen der feministischen Bewegungen aus der Perspektive des von S. de Beauvoir in ihrem Klassiker „Das andere Geschlecht“ 1949 entwickelten, feministisch orientierten Existentialismus.

Christina von Braun: Geschlecht. Eine persönliche und einen politische Geschichte, Propyläen Verlag 2021, 363 S., 24 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Wf Bra 1/2


Christa Randzio-Plath ist wie Christina von Braun eine wichtige Figur der neuen Frauenbewegung und trotz ihrer über 80 Jahre eine sich schreibend immer noch empörende, kritische und engagierte Frau. Im Gegensatz zu der an der eigenen Biographie orientierten historischen Aufarbeitung der neuen Frauenbewegung von Brauns, erfährt frau über Randzio-Plath keine Details aus ihrem persönlichen Leben. Wikipedia weiß nur zu berichten, dass sie 1940 in Ratibor, damals Schlesien geboren wurde, ausgebildete Juristin und Politikerin ist, langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und des Europaparlaments sowie 2006 bis 2013 Vorsitzende des Landesfrauenrates, damals Träger der hamburger frauenbibliothek, die heute wieder als Frauen*bildungszentrum DENKtRÄUME eigenständig finanziert wird und autonom agieren kann.

Der Sprachduktus von Randzio-Plath ist entsprechend ihrer beruflichen Hintergründe gekennzeichnet von juristischem und politischem Denken, unterlegt mit viel Statistik. Hinter dem Einband mit gezeichneten Hände in unterschiedlichen Hautfarben, die einen die „Frauenrechte“ sanft haltenden und abgrenzenden Kreis bilden, geht es zur Sache auf dem Feld der Gleichstellung weltweit. Randzio-Plath beginnt mit dem Jahr 1975, dem internationalen Jahr der Frau und der anschließenden internationalen Dekade der Frau, beides von der UN beschlossen. Im Anschluss findet sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit Forderungen nach Gleichstellung und deren Umsetzung aus rechtlicher Perspektive weltweit. Auf den 140 eng bedruckten Seiten finden sich viele Entwicklungslinien, böse beschreibbar als Entwicklungspolitik für (unterentwickelte) Frauen, inklusive „Covid-19 Pandemie und Diskriminierung“ (S. 112) oder „Frauen und Nachhaltigkeit als Solidaritätsprinzip“ (S. 121). „Zu Recht haben die UN 2020 zu einer Aktionsdekade aufgerufen, weil es zu wenige Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda 2030 seit 2015 gibt […] Dabei geht es vor allem um eine gerechtere Wirtschaftspolitik, die Geschlechtergleichheit, den Klimaschutz und die solidarische Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.“ (S. 137) Die Lektüre dieser streitbaren Schrift der bestens informierten und auch international gut vernetzten Randzio-Plath lohnt sich für alle, die sich über Feminismus auf internationaler Ebene von Regierungspolitik sowie UN informieren wollen.

Christa Randzio-Plath: Frauenrechte sind Menschenrechte – weltweit. Alte Gefahren, neue Herausforderungen, Schüren 2021, 144 S., 15 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Kac 49

Ele Grimm

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