Lesetipp: Kathrin Werner, „Niu“

„Ich heiße Niu. N und I und U“.

Zwar wird ihr Name anders als das englische Wort für neu geschrieben, aber er deutet schon auf Veränderungen hin, so wie es Carmen und Thomas in New York anstreben. Zwei Hamburger*innen, die sich einen Neustart mit Hoffnung auf bessere Zeiten wünschen, jedoch reist die Vergangenheit mit. Bis Niu auftaucht und alles verändert. Der gleichnamige Roman wurde von Kathrin Werner geschrieben und im Hoffmann und Campe Verlag im Jahr 2022 veröffentlicht. Das Buch handelt von den Wünschen und Problemen eines Paares heutzutage, die einerseits von Selbstbestimmung und andererseits von dem Drang nach Sicherheit geprägt sind. Die Stadt, die niemals schläft, wird charakteristisch durch die Anonymität und die Ruhelosigkeit dargestellt. Niu verkörpert dabei diese Eigenschaften und Werner entwirft eine verschwommene und sehr mysteriöse Figur, welche bei Carmen und Thomas Neugier und eventuell auch Liebe erweckt. Liebe, die zwischen dem verheirateten Paar schwindet, und gegenüber Niu wächst. Die beiden Charaktere lernen Niu unabhängig von einander kennen, was einerseits etwas zu schicksalhaft wirkt, sodass es einem unwahrscheinlich vorkommt. Andererseits soll Niu meiner Meinung nach auch gar nicht sehr realistisch dargestellt sein, sondern eher den Teil jedes Menschen repräsentieren, welcher nach Freiheit und Selbstbestimmung strebt. Die Partner*innen entwickeln jeweils ein zweites, geheimnisvolles Leben. Zunächst klingt das nach dem Ende für die Beziehung von Carmen und Thomas, aber durch die freiheitsorientierte Niu werden alten Gewohnheiten sowie Erwartungen hinterfragt und möglicherweise auch neu definiert.

Im Allgemeinen wirkt die Erzählung durch bildhaft beschriebene Figuren und Atmosphären sehr lebendig und einfühlsam, da bestimmt jede in ihrem Leben bereits mit einem der angesprochenen Sorgen konfrontiert wurde, sei es mit Beziehungsdynamiken, den traditionellen Rollenbildern oder dem eigenen Lebensentwurf. Die aufmerksamen Beschreibungen fehlen mir persönlich am Ende des Buches, da die Geschichte sehr zügig ohne weitere Ausführung aufhört.

Nichtsdestotrotz ist es ein aktuelles und teils poetisch geschriebenes Buch, welches mit der Spannung zwischen Realität und Projektion spielt und einen vielleicht auch auf die ein oder andere Weise über das eigene Leben nachdenken lässt.

Kathrin Werner: Niu, Atlantik 2022, 255 S., 22,00 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: R Wer 4/1

Venus Grimm

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