Lesetipp: Morgan Rogers, „Honey Girl“

Der deutsche Klappentext zur etwa 20-jährigen amerikanischen Autorin Rogers, kennzeichnet sie als eine, die „am liebsten über lesbische Frauen“ schreibt. Das englische Original ist da eindeutiger: “Morgan is a queer millennial from Baltimore writing about queer millennials. Honey Girl is her first novel.“

Das Cover mit dem englischen Original Titel zeigt eine sehr „sweete“ junge Frau mit dunkler Hautfarbe und langen blonden Locken, die jedoch als Romanfigur so gar nicht den damit implizierten Gendervorurteilen entspricht. Denn das honey girl ist promovierte Astronomin eines schwarzen Vaters, der beim Militär in Seattle dient und einer weißen, flippigen Mutter (mit langen Haaren), die einen Weinberg in Florida bewirtschaftet.

Die Rahmenhandlung ist charmant angelegt, denn die Protagonistin Grace wacht verkatert in Las Vegas auf und trägt einen Ehering. Sie hat nach einer durch zechten Nacht offensichtlich eine Frau geheiratet, die ihr nur eine Visitenkarte hinterlässt mit dem Aufdruck:

„BIST DU DA?
Brooklyns Late-Night-Show für einsame Kreaturen und paranormale Phänomene. Manchmal auch beides 99,7 FM“ (S. 12).

Es folgt eine häufig kurzweilige Entblätterung der Biographie des honey girls auf Job- und Selbstsuche. Sie lebt in einer nicht ganz der Norm entsprechenden WG mit einer Sozialarbeiterin und deren Partnerin, eine ehemalige Klientin von ihr. Beide Frauen sind 100 % verlässlich als Freundinnen und authentisch gezeichnet. Der Job-Alltag als Kellnerin in einem indischen Teehaus wird bestimmt durch die Familie des weisen Besitzers und seinen beiden Kindern, die geschwisterlich die Protagonistin beschützen und emotional auffangen. Diese engen diversen Bezugspersonen sind Gegenentwürfe zu der weißen, heteronormativ und patriarchal geprägten akademischen Arbeitswelt, die die Protagonistin trotz Unterstützung durch ihre Professorin fluchtartig verlässt.

Die Selbstfindung von Grace wird von den Ansprüchen und Idealen ihres eher wenig differenziert dargestellten Vaters behindert, denen die Hauptfigur entgegen ihrem bunten und fröhlichen Umfeld, gerecht werden möchte. Ihre hier mal zur gegenderten Abwechslung abwesende Mutter ist mit sich beschäftigt und befindet sich gleichfalls auf einer eher ironisch stereotyp bebilderten Suche nach ihrem Selbst. Große Teile ihres sensiblen und wenig selbstbewussten Innenlebens, möchte Grace schamhaft nicht teilen, vor allem nicht die Tatsache, dass sie verheiratet ist. So begibt sich Grace mit der Unterstützung ihrer Freundinnen erst ab S. 60 auf die Suche nach der Gattin Yuki, der sie erst ab S. 130 persönlich begegnet. Die WG in Manhattan ist von der Autorin wiederum mit ausgesprochen spannendem Personal ausgestattet, das leider etwas zu kurz kommt. Die toughe Akademikerin mit Doktortitel wird in New York gezwungen, ihre Grenzen zu akzeptieren und zu veröffentlichen, wie folgende Message es bei der Ankunft am Flughafen im Roman dokumentiert:

„Weißt Du noch wie ich gesagt hab ich krieg das schon hin mit dem Bahnhof habs mir anders überlegt“ (S. 128)

Ohne zu viel zu spoilern, braucht das gemeinsame Glück noch einige Zeit, die die Protagonistin im sonnigen Florida bei der Mutter und mit einer Therapie verbringt. Bei „Honey Girl“ handelt es sich um ein ausgesprochen kurzweiliges Lesevergnügen mit garantiertem Happy End für Menschen, die junge, moderne und insofern beinahe wieder stereotype Personen mit einer Prise Romantik mögen.

Morgan Rogers: Honey Girl, dtv 2022, 333 S., 15,00 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: R Rog 2/1

Ele Grimm

Kommentare sind geschlossen.