In der Einleitung zum Buch „Die Dinge“ schreibt Annabelle Hirsch, dass sie, wenn sie auf Entdeckungsreisen gegangen ist, nie die großen Monumente und Denkmäler so richtig interessiert hätten, sondern die kleinen Dinge, die eher unbedeutenden Alltagsgegenstände. So habe sie beim Besuch des Hauses der Schriftstellerin Karen Blixen nicht ihren Schreibtisch (Zentrum ihres Schaffens) oder die Bilder an den Wänden bewundert und Interesse dafür gehegt. Sie war fasziniert von den Kupfertöpfen, die sich in einer Ecke der Küche des Hauses stapelten. Dinge die weniger dem großen Schaffen als dem alltäglichen Leben gedenken. Gerade dort findet sich über Jahrtausende die Geschichte von Frauen. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand die Idee zu „Die Dinge“, einer Sammlung vermeintlich banaler, hoch subjektiv ausgewählter Objekte, die die Geschichte der Frauen widerspiegeln soll.
Das Buch stellt 100 Objekte vom Jungpaläolithikum (30.000 v. Chr.) bis in die Gegenwart (2017) vor, die für die Autorin die Geschichte der Frauen repräsentieren. Die ausgewählten Dinge bewegen sich in den Themenfeldern Mode, Kunst, Alltag und vielen weiteren. Jedem Gegenstand sind vier Seiten gewidmet, auf denen sich eine Abbildung, eine kurze Beschreibung und eine zeitliche Einordnung finden. Dies ermöglicht es, durch das Buch zu stöbern und immer mal wieder reinzulesen, was sehr kurzweilig ist. Eine Geschichte der Frauen im klassischen Sinne würde ich darin jedoch nicht sehen, da die Metaerzählung fehlt. Es ist vielmehr wie ein Mosaik, das die Lesenden punktuell in die jeweilige Zeit des Objektes, mit dem sie sich gerade beschäftigen, führt. Dies ist jedoch nicht unbedingt ein Schwachpunkt des Buches, ermöglicht es doch ein Springen von Objekt zu Objekt quer durch die chronologische Anordnung.
Wie subjektiv die Auswahl ist wurde mir zudem bewusst, da Objekte fehlen, die ich selbst in so einem Buch erwartet hätte. Für das Jungpaläolithikum zum Beispiel die Venus von Willendorf. Doch gerade das lädt aus meiner Sicht zum Schauen und Entdecken der Objekte ein. Auch um mich zu fragen, warum ich eine andere Auswahl getroffen hätte als die Autorin.
Einen Fakt, der sich zwar nicht im Titel wiederfindet, den die Autorin jedoch in ihrer Einleitung thematisiert, ist die Einschränkung der Auswahl auf den westlichen Kulturraum. Ihre Begründung leuchtet ein: Sie wolle sich nicht anmaßen für andere ihr weniger bekannte Kulturräume zu sprechen und auszuwählen. Dies hätte durchaus auch im Titel Beachtung finden können, genauso wie der Zusatz, dass es sich vorranging um Dinge handelt, an denen die Autorin die Geschichte westlicher, sondern auch weißer, vorranging binärer Frauen beschreibt. Das ist sicher für die ein oder andere Interessierte wichtig zu wissen.
Alles in allem ist das Buch eine schöne Möglichkeit, kurzweilig und punktuell in eine der vielen Geschichten von Frauen einzutauchen.
Annabelle Hirsch: Die Dinge. Eine Geschichte der Frauen in 100 Objekten, Kein & Aber 2022, 414 Seiten, 35 Euro
In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Ea 48
Ojdana Triplat