Flott daher kommt das Buch der 1993 geborenen Historikerin Leonie Schöler, die vor allem als Bloggerin großen Erfolg hat, indem sie gründlich mit dem geschlechtsprägenden Bild der männlichen Jäger und den häuslichen weiblichen Sammlerinnen aufräumt. So ergaben DNA-Tests, dass der 2008 in Spanien ausgegrabene mächtige Herrscher aus der Kupferzeit, genannt „Ivory Man“ eigentlich eine „Ivory Lady“ war. Schöler findet daher: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt; vor allen anderen steht ein System, das sie aufhält:“ (S. 19) Ihr Anliegen besteht folglich in dem Entlarven dieses Systems, so dekliniert Schöler anschließend verschiede Felder und Praktiken des Ausschlusses von historischen Frauen durch. Den Anfang macht die Französische Revolution von 1789, die die Norm der weißen Männer des Bürgertums festigte, während alle anderen Menschen ausgeschlossen bis verfolgt wurden. Die Institution der Ehe oder Familie bildet dabei eine geeignete Grundlage für die Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Aneignung von intellektuellen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen der Ehefrauen oder Töchter von berühmten Vätern. Neben den Hausfrauen wurden auch Künstlerinnen ausgebeutet und ihnen die Anerkennung versagt, ebenso wie einigen Forscherinnen der wohlverdiente Nobelpreis vorenthalten wurde oder Sportler*innen ihre Medaille. In einem fünften Kapitel widmet sich Schöler schließlich den Frauen, die an Kriegen teilnahmen in Befreiungskämpfen, in Bürgerkriegen und im zweiten Weltkrieg, spätestens jetzt kam ich ins Stutzen und ins Grauen. Im Namen einer sich progressiv verstehenden Erinnerungskultur an jene, die bisher wenig Beachtung fanden, wird unhinterfragt Widerstand zur Teilhabe, umgedeutet als Empowerment und Handlungsfähigkeit. Im folgenden Kapitel werden so bedeutende Literatinnen, die die patriarchale Struktur unterwanderten, indem sie unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichten, zu Opfern eines ausschließenden Systems, das sich bis heute in Algorithmen fortsetzt. Das Internet begreift Schöler daher hauptsächlich als Plattform für kolonisierenden Hass gegenüber Frauen* und allen anderen. Im Schlusswort macht die Autorin dann noch einmal dezidiert deutlich, dass ihre Haltung auf einer Vorstellung von Gleichstellung basiert, die von denen, die unterdrückt werden bislang, selbst verändert werden muss (S. 317).
Dieses Kompendium der Ausschlussmechanismen bringt wenig Erkenntnisgewinn, die zahlreichen biographischen Hinweise auf wertvolle, kluge und widerständige Frauen* sind für feministisch interessierte Leser*innen meist nicht neu. Für diejenigen, die sich noch nicht mit der Materie beschäftigt haben, könnte ein Gefühl des Opferstatus sich reproduzieren. Die unausweichliche Konsequenz besteht dann darin, Erfüllung und Anerkennung im weiterhin paternalistischen System zu suchen.
Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte, Penguin Verlag 2024, 416 Seiten, 22,00 Euro
In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Ea 49
Gabriele Grimm