
„Aarrrgh, ich könnt sie alle umbringen!“
Frau kennt’s, oder? Umgesetzt haben den Gedanken aber wohl die wenigsten. Die Alltagsheldin dieser mörderisch witzigen Geschichte hätte auch nie gedacht, dass sie mal jemanden ins Grab bringt … ist dann aber doch irgendwie passiert, weil die Hormone einfach überhandgenommen haben. Upsi … Nur, ist die Antwort wirklich so einfach?
„Morden in der Menopause“ ist mehr als nur ein unterhaltsamer Roman, der den Hormonen die Schuld an allem gibt. Es ist ein subversiver Blick auf die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und vor allem an Frauen in den Wechseljahren. Die Autorin Tine Dreyers, die eigentlich Christine Drews heißt und unter verschiedenen Pseudonymen schreibt, ist selbst 1972 geboren und kennt sich mit der Menopause nur zu gut aus.
Genauso wie ihre Protagonistin Liv. Eine 48-jährige Küchenplanerin, Mutter und Ehefrau, die exemplarisch für viele Frauen steht, die sich in einer patriarchalen Gesellschaft gefangen fühlen. Besonders interessant ist, wie das Buch die Menopause als Katalysator für Veränderung und Selbstermächtigung darstellt. Livs Hormone sind nicht die Ursache ihrer Probleme, sondern enthüllen vielmehr die bereits bestehenden Ungerechtigkeiten in ihrem Leben. Dreyer nutzt das Motiv der Morde geschickt dazu, die unterdrückte Wut und ungeheure Frustration zu symbolisieren, die viele Frauen – nicht nur, aber besonders – in dieser Lebensphase empfinden.
Tine Dreyer zeigt, wie Frauen oft die emotionale und organisatorische Last der Familie tragen, während ihre eigenen Bedürfnisse ignoriert werden. Die pubertierenden Kinder und der in der Midlife-Crisis steckende Ehemann sind nicht nur komische Elemente, sondern spiegeln die gesellschaftliche Erwartung wider, dass Frauen stets funktionieren müssen – egal, was sie selbst gerade durchmachen.
Durch einen dramaturgischen Kniff schafft es Dreyer, dass sich die Lesenden „gesehen“ fühlen. Denn zwischendurch wendet sich Liv direkt an die Leser, was dem Ganzen eine interessante Dynamik gibt. Es fühlt sich ein bisschen an, als würde man einen Film sehen, bei dem die Hauptfigur immer wieder aus der Handlung ausbricht, um mit dem Publikum zu sprechen. So verstärkt sich das Gefühl der Komplizenschaft zwischen der Protagonistin und den Leserinnen. Daran merkt man auch: Christine Drews, hat viel Erfahrung im Schreiben von Comedy-Serien und Drehbüchern.
Insgesamt ist „Morden in der Menopause“ ein munteres Buch, das feministische Themen anspricht, wie die Unsichtbarkeit von Frauen im mittleren Alter, die Doppelbelastung durch Beruf und Familie und die gesellschaftliche Tabuisierung der Wechseljahre und des Älterwerdens. Gleichzeitig stellt es die Wechseljahre nicht als Ende, sondern als Beginn einer neuen, selbstbestimmten Phase im Leben einer Frau dar. Der humorvolle Ansatz macht die Themen zugänglich, ohne sie zu verharmlosen. Und trotzdem: Auch wenn wir aufgefordert werden, die Menopause als eine Zeit der Befreiung und des Neuanfangs zu sehen, sollten wir das mit dem Morden womöglich nicht zu allzu ernst zu nehmen. 😉
Tine Dreyer: Morden in der Menopause, DuMont 2024, 286 Seiten, 17,00 Euro
In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: R Dre 2/1
Alina Groß