Lesetipp: Christa Kraft-Schwenk,„Ilse Frapan (1849-1908)“

Mit ihrer Biografie zu Ilse Frapan beendet Christa Kraft-Schwenk ihr in den 1980er-Jahren begonnenes und lange auf Eis gelegtes Dissertationsprojekt und beweist, dass sie die Kennerin von Leben und Werk der Ilse Frapan ist. Bereits ihre 1985 verfasste Staatsexamensarbeit „Ilse Frapan. Eine Schriftstellerin zwischen Anpassung und Emanzipation“, diente der Frauenforschung lange als Basis für weitere Forschungen zu Ilse Frapan. Mit ihrem neuen Werk erweitert und ergänzt Kraft-Schwenk dieses Wissen nun. Dies zeigt sich auch im Umfang der Monografie, der mit rund 700 Seiten den ihres Erstlings um ein Vielfaches übertrifft. Kraft-Schwenk wartet mit etlichen neuen Erkenntnissen zu Frapan auf und stellt fest, dass sich einige Aspekte ihrer früheren Biografie überholt haben.

Kraft-Schwenk zeichnet in ihrer Biografie sehr gelungen den Weg einer unabhängigen und selbstständig agierenden Frau nach, die auch ökonomisch über große Teile ihres Lebens als Schriftstellerin erfolgreich war. Ihrer detailreichen biographischen Darstellung schließt Kraft-Schwenk eine Interpretation des literarischen Schaffens und dessen Rezeption an. Sie arbeitet anschaulich heraus, dass sich Frapans Werke gerade in den 1890er-Jahren einiger Beliebtheit beim Publikum erfreuten. Um die Wende zum 20. Jahrhundert galten sie vor allem unter linksorientierten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als Empfehlung, während sie in konservativen Kreisen unter anderem als tendenziös kritisiert wurden. Gerade ihre 1898 erschienene Erzählung „Wir Frauen haben kein Vaterland“ ist dabei laut Kraft-Schwenk das Werk, bei dem sich Frapan als Anarchofeministin offenbart und wo sie Tolstois Anarchismus im weiblichen Sinne umdeute. Dass Ilse Frapan als Hamburgerin unter diesen wenig bekannt ist, ist schade. Eine Wiederentdeckung lohnt sich in jedem Fall, da sie sowohl durch ihre Schriften als auch in ihrem Lebensstil innovative und für ihre Zeit fortschtittliche Wege gegangen ist.

Erwähnt sei an dieser Stelle noch Frapans Kinderbuch „Hamburger Bilder für Hamburger Kinder“, in dem sie Figuren zeichnet, die ohne feste Rollenzuschreibungen auskommen. In den meisten Kurzgeschichten des Werkes bleibt das Geschlecht des Kindes unbekannt. Das Buch ist 2024 in einer Neuauflage erschienen und lässt den für ihre Zeit fortschrittlichen Geist Ilse Frapans erahnen, wird bedacht, dass die Erstveröffentlichung 1899 erfolgte.

Christa Kraft-Schwenk hat mit ihrer Publikation einen Überblick über Leben und Werk Ilse Frapans vorgelegt, der wohl lange seines Gleichen suchen wird und in der zukünftigen Forschung über diese Schriftstellerin und Aktivistin sicher zu einem Standartwerk werden wird.

Christa Kraft-Schwenk: Ilse Frapan (1849-1908). Leben, Werk und öffentliches Wirken. Königshausen & Neumann 2023, 700 Seiten, 68,00 Euro

In unserer Bibliothek ausleihbar unter der Signatur: Wa Fra 1/1

Ojdana Triplat

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